Zeitgleich im Jahr 2004 bringen die Zeugen Jehovas in Deutschland zwei unterschiedliche Klagen gegen den Journalisten Walter Egon Glöckel ein, wohlweislich auf zwei unterschiedlichen Landgerichten. Bei einer anderen Vorgangsweise wäre selbst einem Gericht eine derartige Klagefreudigkeit ins Auge gesprungen und hätte vielleicht für die Organisation unangenehme Fragen mit sich gebracht. In einem Fall ging es um die Veröffentlichung des geheimen Anleitungsbuches für Zeugen Jehovas-Führungskräfte durch den Journalisten mit dem Titel „Gebt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde„. Dieses wurde eins zu eins im kritischen Informationsportal von Glöckel, das damals unter der Domain zeugen-jehovas.info lief, veröffentlicht. Dieses Portal entwickelte sich über die Jahre zu einer Drehscheibe für kritischen Informationsaustausch über die Organisation, dessen Inhalte sowohl von interessierten Menschen, von Sektenaussteigern und, was noch viel bedeutender ist, auch von aktiven Mitgliedern der Zeugen Jehovas regelmäßig aufgesucht wurde. Wenn schon nicht die Reportagen des Journalisten gerichtlich anfechtbar sind, dann soll doch wenigstens die Plattform verschwinden – so oder inhaltlich ähnlich dürfte der Ansatz der Organisation gelautet haben, als sie die Klage vor dem Landgericht Koblenz einbrachten und sich als alleinige Gruppe wähnen, die das Recht auf die Wörter „Zeugen Jehovas“ hätte. Der Prozessverlauf: Ein Hin und Her. Dann folgte Stille, lang anhaltende Stille und kein Urteil im Berufungsverfahren der Causa zeugen-jehovas.info. Bis dem Anwalt der Organisation, dem bekennenden Zeugen Jehovas, Armin Pikl, das juristische Meisterstück gelang, die eigene Domain jehovas-zeugen.info anstelle der betreffenden, zeugen-jehovas.info, zu pfänden. Die Pfändung resultierte aus der Verweigerung Glöckel´s, Anwalt Pikl den Kostenersatz aus dem Prozeß um das geheime Anleitungsbuch für Führungskräfte zu erstatten.
Am 11.1.2006 schaffte es Pikl dann doch, und die Organisation übernahm die Domain des Journalisten. Am 19.1.2006 traf, man sehe und staune, vom vorsitzenden Richter des Oberlandesgerichts Koblenz ein Brief beim RA des Journalisten, Klaus Walkerling ein. In diesem ist unter anderem wie folgt zu lesen:
In Sachen Glöckel ./. Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e.V. hat der Senat die Sache nach § 522 ZPO beraten. Der Fall ist in mehrfacher Hinsicht problematisch gelagert und soll mündlich verhandelt werden. Der Senat hat versucht, die hier streitige Internetseite „zeugen-jehovas.info“ aufzurufen. Dabei gelangte er nicht auf eine Internetseite des Beklagten, sondern auf eine der Klägerin. Weitere Recherchen führten zur Internetseite „muenchnernotizen.info“ (Anm. nun DER GLÖCKEL), in der es heißt, „Die domain wurde am 11.1. dekonnektiert und auf die Zeugen Jehovas als Domaininhaber eingetragen.
Es wird noch ausgeführt, daß dort die Rede von Pfändung sei, den Parteien wird weiterhin aufgetragen, dazu Stellung zu beziehen, ob sich damit nicht der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe. Aus der Sicht Glöckels steht dies nicht zur Diskussion, da die Pfändung rein gar nichts mit der Thematik der Wortverwendung „Zeugen Jehovas“ zu tun hat. Im Gegenteil, auf der ganzen Welt wird dieser Prozeßverlauf und dessen Ausgang von unterschiedlichsten Interessengruppen mit Spannung verfolgt und erwartet. Auch in der Einleitung des Schreibens vom OLG Koblenz zeigt sich die Erkenntnis, daß die Sachlage offensichtlich bei weitem anders gelagert ist als von den Zeugen Jehovas erwünscht. Und was antwortete Anwalt Pikl? Im Auftrag der Zeugen Jehovas erklärt er die Hauptsache für erledigt. Eine Namensrechtsverletzung wäre durch die Übernahme der Domain nicht mehr gegeben. Die Kosten wären dem Journalisten aufzuerlegen, weil der Prozessausgang – dessen Verurteilung – ja quasi eine klare Sache wäre. RA Klaus Walkerling geht in Berufung und widerspricht gegen das Vorhaben, den Prozeß zu beenden und erhebt zudem im Auftrag des Journalisten auch Einspruch gegen die Pfändung der Domain, deren Wert bei weitem über dem liegt, was die Kosten des ersten Prozesses ausmachen.
Faksimile aus dem Schreiben von Anwalt Pikl an das Oberlandesgericht Koblenz vom 9.2.2006
Zeugen Jehovas-Anwalt Pikl kontert darauf in einem Brief an das Oberlandesgericht Koblenz vom 2.3.2006 und beugt auch schon der Thematik des Domainwertes vor, indem er schreibt:
Die einzige Möglichkeit zur teilweisen Befriedigung ihrer Ansprüche bestand für die Wachtturm Bibel- und Traktat – Gesellschaft der Zeugen Jehovas e.V. in der Pfändung und Überweisung an Zahlung statt der streitgegenständlichen Domain“, dann folgt der Zusatz: „zumal der Berufungskläger in Österreich wohnhaft ist und dort häufig seinen Wohnsitz wechselt, vermutlich um seinen Gläubigern eine Vollstreckung zu erschweren.
Auch falsch, denn der Wechsel des Arbeitssitzes ist nicht mit dem Wohnsitz gleichzustellen. Aber Pikls Rundumschlag geht weiter, indem er ausführt:
Der Berufungskläger behauptet zwar, Rechtsmittel gegen den Überweisungsbeschluss eingelegt zu haben, da aber dem Schriftsatz keine Kopie eines solchen beigefügt wurde, ist wohl davon auszugehen, daß ein Rechtsmittel nicht eingelegt wurde.
Faksimile aus dem zweiten Brief A. Pikls an das Oberlandesgericht Koblenz vom 2.3.2006
Sowohl die Zeugen Jehovas, als auch RA Pikl stellen diskriminierende Behauptungen auf. Natürlich hat Pikl keine Abschrift erhalten, da mit der Domainpfändung ein anderes Gericht befaßt ist. Es wäre eine taktisch unkluge Vorgangsweise, der Gegenseite unnötig und frühzeitig Informationen zukommen zu lassen. Auch mit der Datierung vom 2.3.2006 schreibt das Oberlandesgericht Koblenz:
In dem Berufungsverfahren dürfte es sinnvoll sein, vor einer Terminierung den Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß abzuwarten.
Faksimile aus dem Schreiben vom Oberlandesgericht Koblenz an Glöckels Anwalt Klaus Walkerling ebenso vom 2.3.2006
Allesamt fragwürdige Vorgänge, wieder erfolgt die Stellungnahme durch Glöckels Anwalt Walkerling, daß sie als beklagte Partei mit dieser Vorgangsweise nicht konform gehen. Pikl mutmaßt, nimmt an, leitet ab – Glöckel hält sich an Fakten. Wenn es denn so sein muß, schafft man eben Fakten. Das kritische Informationsportal des Journalisten zu und über die Zeugen Jehovas mit dem Namen zeugen.jehovas.info ist zeitgleich mit dieser Veröffentlichung wieder Realität.
UPDATE:
30.8.2006
Die Erinnerung (f. Österreich: der „Einspruch“) wurde beim Amtsgericht Karlsruhe eingebracht
Nach umfangreichen Recherchen wurde fristgerecht die Erinnerung gegen den Pfändungsbeschluß die Domain zeugen-jehovas.info betreffend beim Amtsgericht Karlsruhe eingebracht. In dem umfassenden Schriftsatz erfolgte auch der Hinweis auf den Zusammenhang mit dem Prozess vor dem Oberlandesgericht Koblenz wegen dieser Domain. Gestützt wird die Erinnerung ebenso auch auf ein einschlägiges BGH-Urteil, das die Rechtsunwirksamkeit einer gleichgelagerten Domainpfändung als höchstrichterlichen Spruch zur Folge hatte.
Seitdem das Oberlandesgericht Koblenz in 2. Instanz den Zeugen Jehovas-Anwalt Pikl mitgeteilt hat, daß das Verfahren „problematisch gelagert sei“ und mündlich weiterverhandelt werden sollte, versuchte dieser mit allen Mitteln zu verhindern, daß es zu einer Fortführung des Prozesses kommt.
Daß, die Zeugen Jehovas-Organisationen kein alleiniges Anrecht, wie sie vorerst meinten, auf die Bezeichnung Zeugen Jehovas haben, was ihnen augenscheinlich spätestens durch den gegen Glöckel angestrebten Prozess und dessen Verlauf klar geworden sein dürfte, zeigt sich auch in einem anderen Bereich. So haben sie bei der EURid, der Vergabestelle für .eu-Domains, sicherheitshalber gleich alle Anträge mit „Zeugen Jehovas-Namenskombinationen“ und zwar für zeugen-jehovas.eu, zeugenjehovas.eu, jehovas-zeugen.eu und jehovaszeugen.eu bereits am 7.2.2006 eingebracht. Also zu einem Zeitpunkt als sie schon die Mitteilung des zuständigen Richters des Oberlandesgerichts Koblenz hatten, und bekundeten das gegen Glöckel laufende Verfahren nicht weiter fortführen zu wollen!
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