Der Medienwahnsinn um von der Polizei erschossenen Jugendlichen geht weiter

Spätestens seit der Markteinführung der Tageszeitung ÖSTERREICH verfügt die Republik Österreich auch über ein Medium, das dem „Genre“ der BILD-Zeitung in Deutschland nahekommt. Sachlichkeit und tiefgründige Recherche sind Sensationslust und Bestreben nach Auflagenzahlen hintangereiht. In dem Fall um die Erschießung des Jugendlichen und der Verletzung eines weiteren Tatbeteiligten bei einem Einbruchsversuch am 5.8.09 in Krems (Siehe Kommentare des Herausgebers 123) wird dieses Blatt seinem Ruf ein weiteres Mal gerecht.

Faksimile Tageszeitung ÖSTERREICHPapierblattjournalismus läßt grüßen: ÖSTERREICH verzichtete auf eine Anonymisierung des jugendlichen Tatverdächtigen, der auch zum Opfer eines mehr als nur fragwürdigen Polizeieinsatzes wurde (Anonymisierung erfolgte unsererseits)

Schon auf der Titelseite ein Foto des erschossenen Jugendlichen ohne jegliche Anonymisierung, großformatig wie auch im Blattinneren, abgedruckt. Groß in Fettbuchstaben titelt ÖSTERREICH „Polizei erschießt Babyface„. Auch wenn die Amtsbekanntheit nicht durch Details von der gegenwärtig sachbearbeitenden Staatsanwaltschaft erläutert wurde, haben die beiden Jugendlichen eine Vergangenheit, die über Lausbubenstreiche hinausreichen dürfte. Den Vogel an Bildpapierjournalismus orientierter Machart hat das Blatt jedoch mit folgendem gefettet gedrucktem Absatz abgeschossen:

Dramatische Szenen in der Nacht zum Mittwoch in Krems: Zwei Jugendliche wurden bei einem Einbruch von der Polizei erschossen.

Falschmeldung in Tageszeitung ÖSTERREICHFaksimile aus ÖSTERREICH, Ausgabe vom 6.8.09 – Seite 2

Das ist schlicht und ergreifend eine FALSCHMELDUNG. Erschossen wurde ein Tatverdächtiger, der zweite Bursche bekam von den Polizisten einen Durchschuß der beiden Oberschenkel in der Finsternis* verpaßt und ist nicht daran gestorben. (red. Anm.: „Es war finster“ laut Mag. SCHERSCHER in unserem Interview)

ÖSTERREICH geht jedoch einen Schritt weiter und tischt den Lesern einen bis dato völlig neuen Aspekt auf. Fette Überschrift: „Schlimmer Verdacht: Polizei zum Alko-Test„. Das läßt aufhorchen, da Alkoholkonsum der Polizeibeamten unsererseits bis 6.8. noch in keinem Medium thematisiert wahrgenommen werden konnte, auch nicht in unseren vorangegangenen Gesprächen mit dem Polizeisprecher des LPK NÖ. Im Text wird es dann dünner und plötzlich entpuppt sich der „Schlimme Verdacht“ quasi als Gerücht:

Medienkritik - Faksimile aus ÖSTERREICHFaksimile aus ÖSTERREICH

Alkoholisierung? Der wohl härteste Vorwurf, der am gestrigen Tag in Krems die Runde machte: Die beiden Polizisten könnten durch Alkohol bei ihrem Einsatz entscheidend beeinträchtigt gewesen sein. Sie wurden jedenfalls einem Alko-Test unterzogen. Polizei-Oberstleutnant Mag. SCHERSCHER:

Natürlich wurden Alkoholproben genommen, aber ich habe noch kein Ergebnis und kann die Vorwürfe weder bestätigen noch dementieren.

Seltsam erscheint dies sachkundigen Personen, da das Ergebnis eines gegebenenfalls durchgeführten Alko-Tests sofort an Ort und Stelle vorliegen würde. Lenker von Fahrzeugen, die sich einem solchen bereits unterziehen mußten, wissen dies. Einzig und alleine eine Blutuntersuchung auf Blutalkoholgehalt würde länger dauern.

Verfügt ÖSTERREICH nun über besondere Quellen und Informationen, daß es so „schlagkräftig“ den Verdacht der Alkoholisierung der Polizisten unters Volk bringt? Wir wollten es genau wissen, wieso das Ergebnis der „Alkoholproben“ (!) noch nicht vorliegt und kontaktierten nochmals Obstl. Mag. Roland SCHERSCHER vom Landespolizeikommando Niederösterreich. Der Polizeisprecher erläuterte in unserem Interview, daß es bestimmte Vorschriften gibt in denen ausgewiesen wird, wann Alko-Tests an Polizeibeamten durchzuführen sind. Hauptsächlich beziehen sich diese Vorgaben auf Delikte die die Straßenverkehrsordnung betreffen – dem Lenken von Einsatzfahrzeugen oder wenn der Verdacht auf Alkoholisierung gegeben ist. „Das war in dem Fall nicht der Fall – es hat keinerlei Symptome für eine Alkoholisierung gegeben“ und auch keine Alko-Tests, das Zitat in ÖSTERREICH ist falsch – so die Angabe des Polizeisprechers.

Was SCHERSCHER zu den angeblich von ihm stammenden Aussagen, die ÖSTERREICH druckte zu sagen hat, haben wir Ihnen im O-Ton als mp3-Datei zusammengefaßt O-Ton.

Am 6.8.09 um 20.20 Uhr haben wir in der Redaktion von ÖSTERREICH angerufen um eine Stellungnahme zu diesen Punkt zu erhalten. Der Chefredakteur Werner SCHIMA wurde mit dem Sachverhalt konfrontiert, muß jedoch laut Angaben mit seinem Mitarbeiter erst Rücksprache halten – „Ich habe irrsinnig viel zu tun … muß morgen reichen„. Wir haben Rückrufnummer hinterlassen. Doch schon um 21.00 Uhr erfolgte der Rückruf von SCHIMA: ÖSTERREICH beharrt auf die Richtigkeit seiner Veröffentlichung zu der Angabe des Obstl. SCHERSCHER, das Alkoholproben genommen wurden und das Ergebnis noch nicht vorliege. Nachfrage unsererseits ob diesbezüglich O-Ton evident wäre, konnte er nicht beantworten.

Zur einleitenden Falschmeldung befragt, daß zwei Jugendliche erschossen wurden folgte die knappe Antwort: „Schwerer Fehler“ als wir dann zum dritten Punkt, der Veröffentlichung der Opferfotos völlig unanonymisiert kamen, wurde die Zeit dann laut Angaben zu „knapp“ – der Chefredakteur war an diesem Tag nicht im Dienst, die Nachfrage wer Veröffentlichungen kontrollieren würde, wurde noch gestellt, aber …

2009-08-07

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