Group 4 Securicor Mitarbeiter entgleiste beim USA – EU Gipfel

G4S - Group 4 SecuricorLogo des EU-Ratsvorsitzes der Republik ÖsterreichZu Zwischenfällen, wenn man es so in etwas abgeschwächter Form bezeichnet, kam es nicht nur, wie bereits zum Artikel berichtet, zwischen einem Polizeibeamten und Journalisten während des USA – EU Gipfeltreffens am 21.6.06 in Wien, sondern auch einem Mitarbeiter des vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten beauftragten Subauftragnehmers der Group 4 Securicor Austria und einem Medienvertreter. Zwischen dem Medienvertreter und Mitarbeiter des privaten Sicherheitsunternehmens kam es zu einer verbalen Konfrontation, die, laut der uns vorliegenden Sachverhaltsdarstellung, in der Androhung der Anwendung körperlicher Gewalt durch den G4S-Mann gipfelte. (Anm.: Die Namen der Beteiligten sind der Redaktion bekannt) Der Journalist schildert den Vorgang, dessen Hintergrund in der Sperre des Haupttores begründet war und er nur wissen wollte, ob es notwendig ist, den längeren Fußmarsch in Kauf zu nehmen oder einfach ein paar Minuten zuzuwarten, wie folgt:

Ich habe dem Mitarbeiter (der ca. einen halben Meter von mir entfernt war) gefragt, wann das Haupttor wieder offen wäre, da er mich wohl absichtlich ignoriert hat (denn so laut war es nun wirklich nicht) habe ich einen lauten Ton von mir gegeben, da mir ein „HE“ zu auffällig gewesen wäre, habe ich mich für einen kurzen „Pfiff“ entschieden, worauf er auch prompt reagierte, jedoch nicht so wie ich es mir erwartet hätte – Nein, er sagte, daß er mir eine in die „Goschn haun würde„, würde ich noch mal nach ihm pfeifen. Nun gut, da ich mir das ja nicht gefallen ließ, ging ich zu einem Polizisten und bat ihm mit dem Mitarbeiter zu sprechen.

In seiner weiteren Schilderung gibt der für den USA – EU Gipfel akkreditierte Medienmitarbeiter an, daß der Polizist meinte, daß dies nicht die „englische Art“ wäre um Aufmerksamkeit zu bekommen, aber das Verhalten des Group4-Mannes, jemanden zu bedrohen, auch nicht tolerierbar sei. Dieser habe aber gegenüber dem Polizisten seine Reaktion über den Pfiff abgeändert und gab sinngemäß an, gesagt zu haben, „Daß er aushauen würde wie ein Hund, wenn man nach ihm wie nach einen Hund pfeife“. Der Polizist nahm, wie man es im Polizeijargon nennt, eine Streitschlichtung vor, nachdem der Bedrohte die Möglichkeit einer Anzeigenerstattung ausschlug. Damit hätte der Zwischenfall beendet sein können, wenn nicht besagter Angehöriger des Sicherheitsunternehmens zu einem späteren Zeitpunkt und zwar nachdem der Journalist vom Buffet kam, diesen aufsuchte und mitteilte, daß er „so falsche Leute nicht abhaben könne“ und, wenn so was noch mal vorkommt „würde er zuschlagen„.

Die Begegnung muß alles andere als unbedeutend für den Kollegen gewesen sein, da er das Areal unverzüglich verlassen hat, eine Anzeigenerstattung überlegte und, was aus unserer Sicht die innere Erschütterung verdeutlicht, als zugelassener Presseangehöriger auf die Teilnahme eines Pool-Termines verzichtete. (Pool-Termine waren eigene Presseveranstaltungen deren Teilnehmeranzahl beschränkt war). Die Anzeigenerstattung unterblieb, weil „Ich hatte ehrlich gesagt auf den ganzen Streß mit Polizei und Anwalt, … keine Lust“.

Faksimile der internen Aktes von Group 4 Securicor AustriaWir konfrontierten die Geschäftsleitung von Group 4 Austria, Herrn Direktor Kahle, mit dem Sachverhalt und waren überrascht, daß dieser Vorfall in dem Unternehmen bereits aktenkundig war. Nachdem deren Mitarbeiter sich gegenüber dem betroffenen Medienvertreter weigerte Name oder Dienstnummer anzugeben und nur denjenigen seines Vorgesetzten nannte, wurde die Thematik auch firmenintern durch dessen Einschreiten aktenkundig gemacht. Der besagte Schriftsatz wurde uns zur Verfügung gestellt und weist die, laut Medienvertreter, abgeänderte Aussage des Group4-Mannes aus.

Faksimile aus dem internen Protokoll von G4SFaksimile aus dem internen Protokoll von G4S

Von einer Begegnung mit fortgesetzter Bedrohung, die nach Intervention des Polizeibeamten stattgefunden haben soll, wüßte er angeblich nichts. Doch sowohl dessen Vorgesetzter, der an Ort und Stelle bereits einschritt, als auch Direktor Kahle von Group 4 Austria, schließen sich unserer Auffassung an, daß die angeblich von ihrem Mitarbeiter getätigte Aussage „I ban ka Hund dem ma pfeift, weu a Hund tät austreten“ (aus dem firmeninternen Protokoll) keinesfalls als Bedrohung aufgefaßt werden kann und einen Journalisten bewegen würde, einen Polizeibeamten wegen dieser Aussage zum Einschreiten zu veranlassen.

Laut Dir. Kahle und leitenden Mitarbeitern von G4S Security Service AG wurde besagte Sicherheitsfachkraft bereits vor unserer Anfrage disziplinär abgestraft. Aus unserer Sicht und der Analyse der Vorgänge und dem Aspekt, daß es sich um einen Journalisten handelt, der berufsmäßig ein sehr klares und eindeutiges Wahrnehmungsvermögen und eine Verpflichtung zur Wahrheitstreue besitzen muß, die ihn über diejenigen Eigenschaften einer Person stellt, die angesichts des eigenen Arbeitsplatzes in Schutzbehauptungen überzugehen veranlaßt ist, bleibt klar und eindeutig der Aufgabeninhalt eines Sicherheitsunternehmens als tragendes Element bestehen. Anders gesagt, ein Sicherheitsunternehmen, das einen Mitarbeiter in eigenen Reihen akzeptiert, der andere Menschen in Ausübung eines Auftrages, zusätzlich der Republik, bedroht, ist inakzeptabel.

Claus Hörr, Leiter des Bundespressedienstes, wurde von uns über den Sachverhalt informiert, teilte uns seine Bestürzung mit und führt aus:

Es ist wahr, daß am Nachmittag des 21. Juni das Haupttor des Pressezentrums kurzfristig (ca. 30 Minuten) gesperrt war. Dies war notwendig, da in dieser Zeit Secretary of State Rice auf dem Heldenplatz vorfuhr um die Musikaliensammlung im Trakt der Nationalbibliothek zu besuchen. Das Verhalten des Sicherheitsmannes ist (so es sich so zugetragen hat – woran ich keinen Grund des Zweifels habe) unentschuldbar.

Hörr leitete den Sachverhalt an das EU-Exekutivsekretariat weiter.

Faksimile der Stellungnahme des EU-ExekutivsekretariatsDir. Kahle wurde in Folge von diesem gebeten, mit uns nicht mehr über den Fall zu sprechen, was er uns telephonisch mitteilte. Am 6. Juli 06 traf in unserer Redaktion dann ein Brief des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, dem EU-Exekutivsekretariat ein. Dessen Leiter Dr. W. Angerholzer teilt darin wie folgt mit:

Im Wege des Bundespressedienstes ist mir der Vorfall am Nachmittag des 21. Juni im Pressezentrum für den EU-US – Gipfel in der Wiener Hofburg bekannt geworden, bei welchem es zu einem Wortwechsel mit einem Mitarbeiter der Firma Group 4 Securicor gekommen ist. Group 4 Securicor ist ein Subauftragnehmer der Präsidentschaft im Bereich der Sicherheitstechnik.

Ich bedaure diesen Vorfall und möchte mich als Auftraggeber für die Dienstleistungen im technischen Bereich entschuldigen. Gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter wurden seitens der Fa. Group 4 Securicor dienstrechtliche Maßnahmen ergriffen.

In der Hoffnung, daß die österreichische EU-Ratspräsidentschaft dennoch in guter Erinnerung behalten wird, verbleibe ich …

Faksimile der Dienststelle des Bundesministerium für auswärtige AngelegenheitenFaksimile der Dienststelle des Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

Das Sicherheitsunternehmen G4S verfügt über eine Vielzahl qualifizierter Mitarbeiter, deren Qualität der Arbeitsausübung durch Firmenangehörige, die sich offensichtlich nicht unter Kontrolle haben, nicht geschmälert werden soll und darf.

Wir haben dem betroffenen Kollegen das Statement des EU-Exekutivsekretariates inhaltlich weitergeleitet.

Mit Sicherheit jedoch wird uns aus journalistischer Sicht der EU-Ratsvorsitz in Erinnerung bleiben. Angesichts vorgenommener kritischer Berichterstattung und anschließender Ausgrenzung zum USA – EU-Gipfeltreffen jedoch nicht so ganz im positiven Sinn. Warten wir ab, was die Zukunft bringen wird …

Update: 10.7.2006

In einem Telephonat teilte uns Dir. Kahle von der G4S Austria AG mit, daß sich das Unternehmen nach nochmaliger Befragung ihres Mitarbeiters, bei der er sich zusätzlich in Widersprüchlichkeiten verwickelt hätte, nun von diesem getrennt hat.

2006-07-09