Der Fall Furtwängler

Filminhalt: Nach dem 2. Weltkrieg sind Ermittlungsbeauftragte damit beschäftigt bei Personen, die im öffentlichen Leben standen, abzuklären ob und inwieweit sie mit dem Nazi-Regime kolaboriert hätten oder dessen Parteimitglieder waren. Die öffentliche Anprangerung und ein öffentliches Verfahren sind die Folgen im positiven Ausgang eines derartigen Ermittlungsverfahrens der Alliierten. Für genau diesen Auftragsinhalt im Fall des bekannten und angesehenen Dirigenten Wilhelm Furtwängler (Stellan Skarsgard) wird der im Zivilleben als Versicherungsdetektiv tätige Major Steve Arnold (Harvey Keitel) beauftragt. Die militärischen Auftraggeber von Major Arnold lassen ihm gegenüber nicht unbemerkt, wie wichtig ihnen eine Überführung der Person von Furtwängler als Angehöriger des Nazi-Regimes ist – den Russen hingegen wäre an einer Einstellung des Verfahrens aus kulturellen Gründen sehr gelegen. Arnold verbeißt sich regelrecht in die Zielperson Furtwänglers und rührt an Methoden, die anderen nachgesagt wurden.

Originaltitel: TAKING SIDES
Ein Film von István Szabó
Länge 105 Minuten
D/F

Kommentar: Der Film basiert auf den tatsächlichen Ereignissen der Nachkriegszeit. Die Amerikaner beauftragten einen Offizier aus ihren Reihen mit dem Fall Furtwängler, der im Zivilberuf Versicherungsdetektiv war. Die Auseinandersetzung mit der Thematik, die implizierten Zusammenhänge zwischen dem amerikanischen Ermittlungsbeauftragten und Wilhelm Furtwängler begannen bereits, bevor sie sich ansichtig wurden. Die eigene Propaganda des Ermittlungsbeauftragten und die Feststellung der Verbrechen des Nazi-Regimes während seines Kriegseinsatzes sind vorprägend für die These, Kurt Furtwängler hätte aktiv diesem Regime gedient und wäre anzuklagen.

Kunst in Form der Musik und Musik als Ausdrucksmittel des Geistes sind ihm nicht wirklich bekannt und Zusammenhänge nicht erkennbar. So stehen sich der Ermittler und Furtwängler gegenüber. Leutnant David Willis (Moritz Bleibtreu) wird als Beobachter zum Inhalt. So verwandelt sich der Raum der Geschehnisse zeitweise zum Gerichtssaal, wo eine Voruntersuchung durch Gestapo-Manieren zur Anklage und zur geistigen Hinrichtung ausufert. Willis avanciert zeitweise zum Verteidiger Furtwänglers. Der Versuch der Erklärung Furtwänglers, daß mit dem Einsatz der Kunst Widerstand machbar hätte sein sollen, endet in der Erkenntnis: Stagnation wäre vorteilhafter gewesen.

Einmal mehr zeigt Geschichte die Impertinenz der amerikanischen Führung ohne die Einsicht oder den Versuch des Verständnisses für diejenigen, die unter und mit einem System leben mußten und vielleicht manchmal den Erfolg im Kompromiss suchten. Wer maßt sich ein Urteil an, ohne das Vorgeworfene selbst gelebt/erlebt zu haben? Wilhelm Furtwängler wurde freigesprochen, jedoch durfte er in den USA nicht auftreten. Es lebe die freie Welt – die denkt Maßstäbe immer setzen zu müssen. Letztendlich setzt sich dieses Volk wie kein anderes aus Menschen aller Herren Länder zusammen. Doch Größe ist nicht herzuleiten von Fläche und Geld, sondern vom Geist und der ist traurigerweise nicht immer der Maßstab. Die Diskrepanz der Charaktere zwischen dem einerseits manipulierten einfachen gegenüber dem freien Geist ist in diesem Streifen fühlbar dargestellt.

ausgezeichnetausgezeichnet