Über Jahrzehnte hinweg gab es eine Vielzahl von Filmproduktionen, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg auseinandersetzten. Ob nun in Hollywood-Manier für den Zuseher aufbereitet, authentisch oder freigeistig bestückt, die Bandbreite sehr vielschichtig. Doch mehrere wesentliche Aspekte beinhaltet „Der Untergang“ gegenüber dem bisherig Produzierten. Adolf Hitler, dargestellt von Bruno Ganz, wird nicht wie sonst üblich, in einer ausschließlich bösartigen Art und Weise gezeigt, sondern die unterschiedliche Persönlichkeit auch des Menschen Hitler akzentuiert in den Vordergrund gestellt. Nicht das Monster, der Diktator wie sonst üblich, taucht alleinig in Erscheinung, sondern ein Hitler, der auch schon einmal seiner Sekretärin sagt, daß sie gar nicht so viele Fehler beim Schreibmaschinenschreiben machen könne wie er selbst. Dies ist ungewöhnlich, ungewohnt und für den Zuseher erstaunlich und absichtlich so inszeniert.
Der Untergang, eine Produktion von Bernd Eichinger unter der Regie von Oliver Hirschbiegel, hat nicht mehr, aber auch nicht weniger zum Inhalt, als die letzten Tage vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches im Führerbunker. Künstlerischer Ausformungen bedarf es wohl kaum, die Vorlagen waren die Historie, Berichte und Angaben aus „Der Untergang“ von Joachim Fest sowie „Bis zur letzten Stunde“ von Hitlers Sekretärin Traudl Junge (Melissa Müller). In 150 Minuten schafft es der Film, nicht nur den Wahn der einzelnen Beteiligten, wie beispielsweise Joseph Goebbels, aufzuzeigen, sondern gibt uns als Zuseher einen Streifzug über Themenbereiche wie unter anderem den Einsatz der Hitlerjugend im Kriegsgeschehen, Greueltaten während des Volkssturm und das Vorrücken der Roten Armee, ohne daß man auch nur einen Moment an Oberflächlichkeit denken würde. Schon gar nicht bezüglich der Absicht, eine Thematik in den Film einzugliedern, nur um sie erwähnt zu haben. Man wird mit Bildern und Ton konfrontiert, mit einem Szenenwechsel der in Symbiose ein Werk zum Resultat hat, das keinen Vergleich zum bisherig Produzierten zuläßt. Der Streifen ist einzigartig und wird es wohl auch bleiben. Es sind keine beliebten Themen und noch mehr kein stofflicher Inhalt, der einen Schauspieler mit Herz und Seele dabei sein läßt.
Ulrich Matthes spielte die Rolle des Joseph Goebbels, eine Hauptfigur, die bis zum Letzten das nationalsozialistische Gedankengut sowie Hitler als die einzig richtige Weltordnung ansah. Es mag durchaus eine subjektive Betrachtungsweise sein, jedoch Matthes charismatische Leistung, verstärkt durch sein abgemagertes Erscheinungsbild, das auch mit einer parallel laufenden Rollenbesetzung einherging, ließ einen kalten Schauer über den Rücken laufen. In unserem Interview erzählte Matthes, daß er in einer anderen Rolle einen KZ-Häftling spielte und er auch wegen dieser Besetzung einige Kilo abgenommen hatte. Im Gegensatz von dem üblichen Bestreben eines Schauspielers, war es ihm bei der Darstellung des Joseph Goebbels unmöglich, sich in diese Person einzufühlen. Matthes Abscheu gegenüber dem nationalsozialistischen System und sein Mitgefühl gegenüber der Opfer, wie er sagte, machten dies unmöglich. Um den Gedankengängen Goebbels nachzugehen, studierte der Schauspieler dessen Tagebücher, was mit Sicherheit eine große Belastung für die Psyche war.
Wir planten auch Interviews mit einigen Ehrengästen des öffentlichen Lebens, wie beispielsweise dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer, aber auch dem eingeladenen Kirchenvertreter Kardinal Christoph Schönborn. Die Gründe für das Fernbleiben sind nicht bekannt, aber die auf der Liste für die Medien angeführten Gäste glänzten durch Abwesenheit. Und dies bei einem Film, der in seiner Gesamtheit nicht nur von großer Bedeutung ist, sondern einen Mosaikstein durch seine Schaffung darstellt, der zu einem Gesamtbild über die Vorgänge des dunkelsten Kapitel der jüngeren Geschichte führt.
In einigen Jahren wird es keine Zeitzeugen mehr geben. Heranwachsende Generationen haben nicht nur das Recht, Informationen über dieses menschenverachtende Regime zu erhalten, sondern gleichzeitig haben wir die Verpflichtung entsprechende Inhalte nicht im Abseits unbeachtet liegen zu lassen, sondern durch geeignete Mittel im Bewußtsein aufrecht zu erhalten. Die neuesten Statistiken zeigen, wie wenige junge Menschen mit Namen wie Goebbels, Göring oder Mussolini etwas anzufangen wissen. Wenn in Deutschland Politiker und Künstler bei der Premiere durch ihre Anwesenheit und Bereitschaft auf Fragen Stellung zu beziehen einen eindeutigen Standpunkt der Gesellschaft gegenüber zum Ausdruck bringen, dann fragt man sich anläßlich der völligen Abwesenheit von Amt- und Würdenträgern in Wien, was ideologisch in Österreich so vor sich geht. Die Wichtigkeit der Thematik wird durch eben solch eine Anwesenheit unterstrichen und in den Vordergrund gerückt.
Nach der Premiere in Wien zeigte das Österreichische Fernsehen auch einen Beitrag über die Premiere in München, jedoch erfolgte keine Ergänzung, die gleich darauf Wien beinhaltet hätte. Für den Premierentag gab es ein zuvor vom ORF abgehaltenes Gewinnspiel. Neunzig Teilnehmer haben jeweils 2 Karten für diese Sondervorführung gewonnen. Nur 43 der Gewinner haben ihre Karten abgeholt und den Film gesehen. Das sind nur beschämende 47,7%. Matthes zeigte sich sehr verwundert über das Fernbleiben der Ehrengäste, wie auch dem Ausgang des ORF-Gewinnspieles und meinte dazu, daß dies in Deutschland ganz anders gewesen sei.
Der Untergang ist ein Film, der den Oberstufen seitens der staatlichen Bildungseinrichtungen zugänglich gemacht werden müßte. Vielleicht hilft dies künftig, Menschen vor an Wahnsinn grenzende Stimmabgaben bei Wahlen zu hindern. Jüngstes Beispiel sind die Wahlen in Sachsen, bei denen die rechtsradikale NPD volle 9,2 % erreichte. So ein soziales Dilemma können Schröder & Co wohl niemals anrichten, als daß es Wähler legitimieren könnte Menschen ihre Stimme zu geben, die nach ihrer Ideologie nach unwürdiges Leben auszumerzen beabsichtigen und Nationalbewußtsein und Patriotismus mit Nationalsozialismus auf eine Stufe stellen.
Ein beklemmender Streifen, dessen Inhalt und Tragweite von vielen Menschen unterschiedlich aufgefaßt wird. Wie ist es sonst erklärbar, daß bei der anschließenden Premierenfeierlichkeit genüßlich ein Glas Sekt gehoben wurde und im Hintergrund auf einem Bildschirm Magda Goebbels ihre Kinder umbringt um sie vor einem Leben ohne Nationalsozialismus zu bewahren?
Kurze Ansprache von Oliver Hirschbiegel nach der Österreich-Premiere im Kinosaal
Ulrich Matthes nach der Premierenaufführung beim Interview mit Journalist Glöckel
Die anwesenden Schauspieler mit Regisseur bei der Österreich-Premiere von „Der Untergang“
Heino Ferch mit Begleitung bei der Österreich-Premiere
Ulrich Matthes spielt Joseph Goebbels
Heino Ferch
Heino Ferch spielt den Architekten Albert Speer
Regisseur Oliver Hirschbiegel
Alexandra Maria Lara, Oliver Hirschbiegel und Heino Ferch
Ulrich Matthes spielt die Rolle des Joseph Goebbels
einfach zum Nachdenken …
052609