Slalomfahrt im Free-TV MAD MAX auf VOX

MAD MAX auf VOX

Mit einem eigenen Trailer wurde der Klassiker auf VOX angekündigt und hauptsächlich für den Cineasten beworben. Berechtigte Hoffnung auf einen nicht allzu umfassenden Filmschnitt bestand durch den vom Sender festgelegten Sendetermin von 22:10 Uhr. (Ab 22 Uhr dürfen Filme mit FSK 16-Kennzeichnung und ab 23 Uhr Filme mit der FSK-Freigabe ab 18 Jahren gesendet werden) Das Pressezentrum von VOX feierte diesen vermeintlichen TV-Event mit einem fast zweiseitigen Pressetext mit reißerischer Filmbeschreibung. Für den Kenner des Filmes überflüssig, jedoch für die heranwachsende Generation ein Lockmittel, das Einschaltquoten bringen soll.

Was folgte, war MAD MAX in einer Fassung, die beim Kenner Fassungslosigkeit hervorrief und die Deklaration als „Top Movie“ aus der Sicht eines Filmfans in keiner Weise rechtfertigte. Zahlreiche Szenen waren ganz einfach entfernt worden, darunter befanden sich auch einige, die nicht als Gewaltszenen zu bezeichnen sind und deren Fehlen Handlungsverläufe als nicht mehr nachvollziehbar erscheinen ließen. Am Tage nach der Ausstrahlung haben wir an die laut (Quelle) zuständige Pressereferentin – Programm PR, Frau C. Betke, eine schriftliche Anfrage zur Verstümmelung des Filmes gerichtet und um Stellungnahme ersucht:

1. MAX (M. Gibson) steht neben der Türe des Krankenhauszimmers, in dem seine verunfallte Frau liegt und hört dem Gespräch der Ärzte zu. Bei der von Ihrem Sender ausgestrahlten Fassung wird dieses Detail völlig aus dem Film entfernt. Für das Verständnis seiner folgenden Handlungsweise bedarf es jedoch dieser Information. (Anmerkung: MAX hört, daß sein Kind schon bei der Einlieferung tot war und seine Frau schwer verletzt ist, wobei der Arzt die einzelnen Verletzungen aufzählt. Ein Arzt sagt dann: „Schwester, sagen Sie ihm, dass sie wieder gesund wird“.)

Szenenbild aus MAD MAX

2. Warum wurde die Szene, in der MAX sieht, wie die schwer verletzte Hand seines verunfallten Kollegen unter dem Sauerstoffzelt hervorrutscht, komplett entfernt? (Anmerkung: Der Unfall seines Kollegen, Jim Goose, wurde vorsätzlich durch die Motorradgang herbeigeführt. Im Unfallverlauf wird dieser im Fahrzeug eingeklemmt, der aus dem Fahrzeug laufende Treibstoff wird vorsätzlich durch Toecutter in Brand gesetzt.)

Szenenbild aus MAD MAX

3. Ebenso entfernt wurde die Szene, in der der Hund nach der Attacke auf MAX’ Frau bellend hinter dem Fahrzeug steht. Im Anschluß trägt ein anderer herbeigerufener Polizist eine Plastiktüte bei sich, deren Inhalt sich nun nicht mehr erschließen lässt. (Anmerkung: MAX´s Frau wird nach einem Einkauf von der Motorradgang bedrängt. Während sie mit dem Auto und ihrem Kind flüchtet, versucht ein Gangmitglied namens Cundalini, das Fahrzeug zu stoppen. Dabei schlägt er mit einer Kette auf das Fahrzeug ein, wobei sich die Kette um die Dachreling wickelt und das flüchtende Auto dem Angreifer so die Hand abreißt.)

Szenenbild MAD MAX

4. Warum wurde gegen Ende des Filmes die Explosion rausgeschnitten, die sich ereignete, nachdem Max den Mann mit den Handschellen an das verunfallte Fahrzeug kettete? In der Originalfassung ist in dieser Szene ebenfalls keine Person zu sehen, sondern die Explosion ereignet sich zu dem Zeitpunkt, als sich MAX vom Ort des Geschehens entfernt und findet im Bildhintergrund statt. (Anmerkung: Bei der Explosion kommt eine der Hauptfiguren des Films, das Gangmitglied, Johnny the Boy ums Leben. Dieses Ereignis ist ein wichtiger Plot Point.)

Szenenbild MAD MAX

5. Warum werden seitens Ihres Senders vor allem Actionfilme ausgestrahlt, bei denen ein derart einschneidender Filmschnitt vorgenommen wird, der in etlichen Bereichen den Filmablauf durch Weglassung beeinträchtigt, verzerrt oder gar unverständlich für den Zuseher macht?

6. Nach welchen Kriterien werden die Szenen aus dem Film entnommen?

7. Warum hält es Ihr Sender nicht für besser, grundsätzlich auf die Ausstrahlung von derartigen Filmen zu verzichten, bevor das Resultat eine geschnittene oder gar verschnittene Filmvariante ist, die weder der ursprünglichen Absicht der Filmemacher entspricht, noch als cineastisches Erlebnis für den Zuseher gewertet werden kann?

Daß Szenen, wie beispielsweise die hier abgebildete, in der Hauptfigur MAX einen Automechaniker, der gerade auf dem Rücken liegend unter einem Auto arbeitet, im wahrsten Sinne des Wortes unter Druck setzte, weggelassen wurden, entsprach den FSK-Vorgaben. Für den Fernsehzuseher war es dennoch im Folgenden nicht verständlich, warum der Mechaniker völlig unerwartet den Aufenthaltsort der Gangmitglieder der Höllenjockeys preisgab.

Szenenbild MAD MAX

Nachdem keine Reaktion seitens VOX erfolgte, schickten wir der Pressestelle in der dritten Woche nach der e-Mail-Anfrage einen Hinweis auf unsere Anfrage per Fax und baten, unserem Ersuchen um Stellungnahme doch nachzukommen. Daraufhin traf am nächsten Tag folgende Antwort vom VOX-Jugendschutzbeauftragten der Spielfilm- und Serienredaktion, J. Moczall, ein. Zur Einleitung teilte Moczall mit, daß ihm unsere Anfrage zuständigkeitshalber weitergeleitet wurde. Auf die einzelnen Punkte wurde in dem Schreiben nicht eingegangen, sondern es erging lediglich folgender Hinweis:

Faksimile der Stellungnahme von VOXBei der von VOX ausgestrahlten Fassung handelt es sich folglich um die „offizielle“ FSK-16-Schnittfassung. Diese wurde keineswegs von uns erstellt, wir sind jedoch verpflichtet, uns an diese zu halten, wenn wir diesen Film überhaupt zur Ausstrahlung bringen wollen.

Vor diesem Hintergrund geht es in der Tat um eine Interessensabwägung: Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass auch solche Schnittfassungen von einer Vielzahl unserer Zuschauer dankbar angenommen werden, da der Film ansonsten im TV überhaupt nicht zu sehen wäre.

Aus unserer Sicht ist dies bemerkenswert, denn MAD MAX (1) in einer FSK 16-Version ist im Handel nicht erhältlich. Allerdings kann man MAD MAX 2 – Der Vollstrecker und MAD MAX 3 – Jenseits der Donnerkuppel sehr wohl in geschnittenen Fassungen kaufen. Auch Warner Bros., aus deren Hause MAD MAX stammt, bestätigte, dass es keine FSK-16-Version von MAD MAX gäbe. Nur: Wenn VOX eine FSK 16-Fassung des Filmes ausstrahlt und Warner Bros. deren Existenz verneint, wer hat sich dann an den Schnittplatz gesetzt und wer hat wann was genehmigt? Nächster logischer Schritt: umgehende Anfrage bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK).

Faksimile der Anfrage an die Freiwillige Selbstkontrolle der FilmwirtschaftFaksimile der Anfrage an die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft

Die FSK antwortete nicht schriftlich, sondern man griff kurzerhand zum Telephonhörer und rief uns an. Wir erhielten zwar allgemeine Informationen über allgemeine administrative Vorgänge aber diese Angaben brachten uns nicht wirklich in der FSK 16-Fragestellung weiter. Wir fragten erneut nach. Die einzige Quelle, die sich während dieser komplexen Erhebungen kooperativ und entgegenkommend zeigte, war unsere letzte Gesprächspartnerin der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, deren stellvertretende Vorsitzende, Frau P. Meier. Sie übermittelte uns dann auf Ersuchen den Prüfungsakt der BPjM zu MAD MAX mit der Bezeichnung Pr. 533/83.

So telefonierten wir mit allen möglichen Abteilungen von Warner Bros. quer durch die Bundesrepublik, bis wir bei der Dienststelle in München, Warner Bros. Intl. Television landeten, in deren Tätigkeitsbereich die Zusammenarbeit mit den TV-Sender liegt. Auffällig war der Umstand, daß man während der Telephonate immer wieder danach fragte, um welchen TV-Sender es sich handelte. Unser Standpunkt, daß das derart drastische Verändern von Spielfilmen auch nicht im Interesse der Filmwirtschaft sein könnte, stieß auf Zustimmung.

Die zuständige Referentin bei Warner Bros. teilte diese Ansicht, zumindest telefonisch, und ersuchte uns, den Sachverhalt schriftlich zu übermitteln, dem wir dann auch prompt nachkamen. Unser Ziel war es, eine Kopie der von VOX ausgestrahlten FSK-16-Version zu erhalten, die wir direkt mit der FSK 18-Fassung vergleichen wollten. Neben dem FSK-ungeprüften Videoband, das noch vor der Indizierung erworben wurde und das sich in unserem Archiv befindet, wurde uns die aktuelle DVD der FSK-18 Version von alles-dvd.at für die Recherchen zur Verfügung gestellt.

So schickten wir den gesammelten Sachverhalt entsprechend unserer Abmachung an Warner Bros., da wir angesichts des Umstandes, daß der Filmverleih zuvor bestätigt hatte, daß es keine FSK-16 Filmversion von MAD MAX gäbe, berechtigten Zweifel an der Aussage von VOX hatten.

Faksimile der Anfrage an die zuständige Referentin bei Warner Bros. Intl. Television

Faksimile der Anfrage an die zuständige Referentin bei Warner Bros. Intl. Television

Einige Wochen nach dem aufschlussreichen Telefonat erhielten wir ein Fax. In diesem wurde uns überraschend die Mitteilung gemacht, dass Kabel 1 Fernsehen GmbH im Jahr 1999 eine auf FSK 16 geschnittene Fassung zur Begutachtung eingereicht hat.

FSK schiebt Informationen per Fax nachFSK schiebt Informationen per Fax nach

Dies veranlaßte uns, an Warner Bros. umgehend eine entsprechende Anfrage nachzureichen, nachdem offensichtlich der TV-Sender Kabel 1 selbst Veränderungen am Film vorgenommen hat und diesen bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) zur Begutachtung einreichte.

Wir wollten folgende Punkte abgeklärt haben, da durch dem offensichtlich eigenmächtigen Filmschnitt durch den TV-Sender ein gewisser Erklärungsbedarf entsteht:

ergänzende Anfrage nach Erhalt des Fax der FSK.) Sind Sendeanstalten berechtigt, nach dem Erwerb einer Filmkopie eigenständig einen Filmschnitt vorzunehmen und diese Filmversion dann bei der FSK einzureichen?

.) Wenn ja, wird dann der Filmverleih seitens der Sendeanstalt darüber informiert?

.) Wird durch die Filmverleiher dem Abnehmer eine derartige Möglichkeit bei Einkauf des Filmes vertraglich eingeräumt?

.) Liegt eine derartige Vorgangsweise grundsätzlich im Interesse der Filmverleiher oder ist womöglich sogar mit den Produzenten Rücksprache zu halten und dessen Einverständnis einzuholen?

Es verstrich fast ein weiterer Monat, von Warner Bros. war kein Laut zu vernehmen, und dies obwohl offensichtlich ein Film in Eigenregie von Kabel 1 geschnitten wurde, dessen Filmschnitt es zwar laut Warner Bros. gar nicht gibt, der aber dennoch im Fernsehen bei VOX als Top Movie gesendet wurde. Am 24.11.05 kontaktierten wir die Sachbearbeiterin bei Warner Bros. und fragten wegen der beiden Anfragen nach, die nachweislich dort eingelangt sind. Zitat der Sachbearbeiterin:

Ich weiß nicht, ob wir dazu wirklich eine Stellungnahme abgeben wollen.

Nein, keine Stellungnahme war das Resultat des Telephonates. Auch bei VOX fragten wir nach, ob es sich um die Kopie handelte, die von Kabel1 im Jahre 1999 bei der FSK eingereicht wurde. Doch auch nach dieser Nachfrage blieben die Leitungen still.

Sollte man jetzt überrascht sein? Wir waren es im ersten Moment, weil wir davon ausgingen, daß es um Medienkonsumenten geht und die Filmwirtschaft doch Interesse an solchen fragwürdigen Vorgängen haben sollte. Werden Raubkopien vertrieben und gekauft, dann wird in Werbespots von Verbrechern gesprochen. Zerschnippelt ein Fernsehsender einen Film bis über das erträgliche Maß hinaus oder wird ein derartig verschandelter Film wie MAD MAX, noch dazu als „Top Movie“ deklariert, gesendet, dann herrscht betretenes Schweigen. Bei Großkunden wie TV-Sendern geht es um viel Geld, und der Zuschauer hat das zu konsumieren, was ihm vorgesetzt wird. Das glaubt man aber nur …

© Copyright der MAD MAX-Bilder by Warner Bros.
Die MAD MAX Szenenbilder dienen ausschließlich der Illustration der Reportage, das Copyright von Warner Bros. bleibt dadurch unberührt

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