1. St. Pöltner Medienkongress

(Österreich) Die Einladung für den Ersten St. Pöltner Medienkongress am 12.12.03 im dortigen Veranstaltungszentrum kam über den APA, OTS Pressedienst. Die Studenten des 5. Semesters im Studiengang Medienmanagement organisierten unter der Schirmherrschaft der Fachhochschule St. Pölten einen 1-tägigen Kongress unter dem Motto „Internationale Medientrends“ mit Impulsreferaten und Podiumsdiskussionen zu den Themenbereichen: EU/WTO/GATT, Kinderfernsehen, Fußball Europameisterschaft 2008 und Hörbuch.

Die einleitenden Worte des Geschäftsführers der im Besitz der Stadt St. Pölten stehenden Einrichtung, Mag. Matthias STADLER, der auch die gegenwärtige Qualität im Journalismus kritisierte, ließen auf eine interessante Veranstaltung hoffen. Bürgermeister Willi GRUBER hingegen, als Vertreter der Rechtsträgerschaft, sprach in seiner Rede von zunehmend übermäßigen Fernseh- und Internetkonsum, wobei er nicht auf Details einging und damit den Anwesenden die Erklärung für seine Aussage schuldig blieb. Im Folgenden erklärte eine Aspirantin auf den Mag. FH-Titel während eines Referates den überwiegend aus Studenten und an der Schule Interessierten bestehenden Teilnehmern des Kongresses, daß die Menschen immer weniger Zeit zum Lesen von Büchern hätten und dieser Markt rückläufig sei. Der erste Punkt, der zum Nachdenken anregte, da in den letzten Jahren das Konsumieren von Büchern auch bedingt durch den Informationsfluß durch das Internet angestiegen ist und im Gegensatz zu anderen Kosumgütern Zuwachs verzeichnet. So findet sich auch eine entsprechende Bestätigung, nicht nur bei zurückliegenden Wirtschaftsdaten, sondern auch einer erst kürzlichen Pressemeldung des internationalen Online-Buchhändlers amazon.com, der an Spitzentagen der Vorweihnachtszeit über 290.000 Artikel verschickte.

1. St. Pöltner MedienkongressDann ging es Schlag auf Schlag: Für die Podiumsdiskussion, wobei die anwesenden Zuhörer aus Zeitgründen gebeten wurden, auftretende Fragen nach der Gesprächsrunde zu stellen, trafen der Journalist Dr. Peter HUEMER, Dr. Barbara WASCHMANN von ATTAC Österreich, Sebastian LOUDON von der digitalen Plattform Österreich und der Geschäftsführer von Public Opinion, Dr. Stefan BROCZA, aufeinander. Diskussionsthema war „Überschwemmt uns Hollywood? Naschen die EU-Beitrittsländer an der „digitalen Revolution“ mit? Welche Chancen und Risiken bringt digitales Fernsehen für Österreich?“ Moderiert wurde die erste Runde von zwei Studentinnen. Bei diesem Thema gab es Interessantes über die Bestrebungen der USA zu erfahren, die den audiovisuellen Sektor und den Kunstbereich in das GATT-Abkommen integriert wissen wolle. Huemer brachte anhand eines Vorfalles bei einer Inszenierung in New York ein plakatives Beispiel dafür, was passiert, wenn die öffentliche Hand den Kunstbereich nicht mehr fördert und private Interessen durch die Vergabe von Fördermitteln mit Druck in künstlerische Arbeiten Einfluß nehmen. Dann geschah etwas für den Zuhörer Unverständliches: Der ausgewiesene Geschäftsführer von Public Opinion, BROCZA, begann HUEMER verbal regelrecht zu attackieren und die Debatte wurde, gänzlich durch die Moderation unkontrolliert, zu einem Disput mit unverständlichen Angriffen seitens BROCZA, die nur Kopfschütteln hervorriefen.

Als das Wort durch die Moderation dann an die ATTAC-Vertreterin abgegeben wurde, zeigte Frau Dr. WASCHMANN Kompetenz, erläuterte den Standpunkt von ATTAC zu Globalisierungsbestrebungen und deren Auswirkungen und stellte den am Podium Anwesenden drei Fragen. Zur Überraschung reagierte jedoch die Moderation mit Dank für die Ausführungen von WASCHMANN und teilte mit, daß auf Grund des Zeitmangels man nun um die Abschlußworte der Teilnehmer ersuchte, ohne eine Beantwortung derer Fragen zu ermöglichen. Wesentlich war in Folge die Kernaussage von HUEMER, der sich inhaltlich alle Beteiligten anschlossen, daß unter anderem Bildung und audiovisuelle Medien nicht zur Handelsware werden dürfen.

Dr. Stefan BroczaDas vorerst unverständliche, unsachliche und unangemessene Verhalten von BROCZA gegenüber HUEMER erklärte sich gegen Mittag. Von einer Person, die der Schulleitung angehört, konnte in Erfahrung gebracht werden, daß BROCZA nicht nur Lehrkörper an dieser Fachhochschule ist, sondern sich selbst auf das Podium reklamiert hatte, als er erfuhr, daß HUEMER eingeladen worden war. Somit ist auch verständlich, daß die anwesenden Studentinnen ihre Moderation nicht objektiv durchführen konnten, ohne sich gegen den eigenen Schulvertreter zu richten.

Zum Thema Kinderfersehen traf sich dann eine Runde, die als inhaltlicher Tageshöhepunkt angesehen werden konnte. Sonja WASNER, Kinder-TV-Produzentin, Helga JANISCH, Kinderprogramm-Leiterin des ORF und Michaela KIENBERGER vom Medienpädagogischen Institut gaben Einblicke über verantwortungsvollen Umgang in die visuelle Medienlandschaft von Kinderproduktionen. Seitens der Moderation wurde das Fallbeispiel der Teletubbies aufgegriffen, wobei eine Aussage jedoch auch gegen die Ergebnisse einer eigenen Reportage stand, die jedoch in Ermangelung der allgemeinen Diskussionsmöglichkeit bis zur Pause widerspruchslos hingenommen werden mußte. Dabei handelte es sich um den Aspekt, ob diese Sendung harmlos für sei oder doch gewisse Nachteile in sich bergen würde. Für das Publikum fehlte nach redaktioneller Auffassung die doch wesentliche Erläuterung der Begriffsbestimmung der kognitiven Fähigkeiten, die eine wesentliche Grundlage bei der Produktion von Kindersendungen ausmachen. Dies wurde auch seitens der Podiumsteilnehmer in einem anschließenden Gespräch bestätigt.

Nach dem Mittagessen sollte Staatssekretär Karl SCHWEIZER (FPÖ) ein Statement abgeben, jedoch mußte man erfahren, daß er Tags zuvor abgesagt hatte. Die von ihm angekündigte Vertretung erschien gar nicht erst.

Götz FritschDer letzte Themenbereich war dem Hörbuch gewidmet und zum zweiten Mal an diesem Tage erfuhr man wieder entgegen der Wirtschaftsdaten, daß dieses Produkt richtiggehend boomen soll. Mit drei Gästen sollte das Podium besetzt sein, stattdessen fand sich dort nur ein Teilnehmer, Regisseur Götz FRITSCH, sowie die Diskussionsleiterin. FRITSCH verstand es jedoch in seiner Professionalität, auch seinen Part mehr oder weniger alleine in humoristischer Weise zu erfüllen, ohne es jedoch nicht gleich eingangs zu versäumen der Studentin mitzuteilen, ihre Aussage, daß der Hörbuch-Markt richtiggehend boome, sei unzutreffend. Auf unsere Anfrage wegen des Fernbleibens der anderen beiden Gäste, Christoph PREISER von Preiser Records und Hubert HLADEJ Jun. vom Dachs-Verlag, bemühte sich Frau Mag. Dr. Brita KETTNER von der Schulleitung, dieses wegen des langen Einkaufsnachmittages zu entschuldigen. Erstaunlich, da der Veranstaltungszeitpunkt 15:30 Uhr war und es sich um einen Freitag handelte, wo die Geschäfte üblicher Weise geöffnet haben.

An den Geschäftsführer der Fachhochschule Mag. STADLER richteten wir zum Abschluß noch die Frage, ob diese Veranstaltung einen 4- oder 5-stelligen Euro-Betrag gekostet hätte. Das zweite wäre der Fall gewesen, lautete seine Antwort.

Zusammenfassung

Es war ein sicherlich ehrbares Projekt, einen Kongress zu veranstalten, der in Eigenregie der Studentenschaft administriert wird. Doch das sollte den Lehrkörper jedoch nicht davon abhalten, die Inhalte einer Überprüfung zu unterziehen. Die alleinige Aussage der Referentin bezüglich der Herkunft ihrer These, daß das Hörbuch boome mit einem Blick ins Internet zu begründen offenbart eine unzureichende und oberflächliche Recherche. Der Auftritt des Lehrers, der für den außenstehenden Betrachter offensichtlich einen persönlichen Argwohn gegen einen der Referenten in sich birgt, vor der Schülerschaft und Besuchern auszutragen, spricht für dessen Persönlichkeit, die Reaktion von HUEMER für dessen Seriosität. Wenn man schließlich noch von den Kosten der Veranstaltung hört, dann stellt sich die Frage, ob die Abhaltung eines Projekttages nicht zweckmäßiger gewesen wäre, als zu einem Kongress zu laden. Die Bezeichnung „Kongress“ suggeriert die Vorstellung der Möglichkeit des Konsums von qualitativ und quantitativ über dem Durchschnitt liegenden Informationen. Beim 1. St. Pöltner Medienkongress ist es jedoch nur bei dieser Vorstellung geblieben.

Reaktion: Student schreibt der Redaktion

Am 4.1.2004 erhielten wir folgende e-Mail von Christoph RAMLER, Projektleitung von studentischer Seite, der nachrecherchierte:

e-Mail von Christoph Ramlere-Mail von Christoph Ramler

Anmerkung der Redaktion: Cornelia WALDENMAIER, Referentin im Verlegerausschuß des Börsenvereines des deutschen Buchhandels, zuständig für den Arbeitskreis Hörbuchverlage am 5.1.2004:

Das Hörbuch nimmt weniger als 5% des Gesamtbuchmarktes ein; es ist ein kleines Marktsegment; laut einer durchgeführten Studie rechnet ein Teil der Verlagshäuser mit 10% Umsatzsteigerung.

Zitat aus der e-Mail von RAMLER zu den Kongresskosten laut Angaben des Geschäftsführeres Mag. STADLER:

… Sie waren alles andere als fünfstellig. Ein Fünfer war drinnen, aber leider nur 4 Nullen hinter dran …

= 50000

043112

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