Unbegreiflich erscheinen im Zusammenhang mit dem Gedenkjahr 2005 zu der Thematik des Holocaust unterschiedlichste Vorgänge, aber auch neuerdings Initiativen, die sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Abgründen beschäftigen. Nach unserer Aufdeckung des Skandals mit verfälschten Photos zum Konzentrationslager Auschwitz, die offenbar ein gerichtliches Nachspiel haben werden, findet sich nun eine Wanderausstellung mit dem Titel Link „Nur die Sterne waren wie gestern„, organisiert und verantwortet durch den deutschen Verein Stanislaw Hantz e.V. im Schußfeld der Kritik. Der Verein widmete einem ehemaligen Angehörigen des Sonderkommandos in Auschwitz-Birkenau eine Ausstellung, die laut Presse- und Ausstellungstext wie folgt beschreiben wird:
… Kein Buch, das wort- und faktenreich das Leben eines Holocaust-Überlebenden zu erklären versucht, sondern eine Foto-Ausstellung, die unmittelbarer und emotionaler eine Geschichte transportieren kann. Zusammen mit kleinen klugen Texten, ist es gelungen, sein Leben in einer Auswahl von Schlüsselszenen darzustellen …
Faksimile des offiziellen Textes der Ausstellungsmacher von Nur die Sterne waren wie gestern
Dem Ansatz nach ein Projekt, das bedeutend und ehrbar wäre, folgte ein Resultat, das in seiner Gesamtheit dann tatsächlich Emotionen, jedoch negativer Art, hervorrief. Ebenso entpuppten sich die „kleinen klugen Texte“ als solche, die dem Titel unserer Filmdokumentation „Keine klugen Texte“ gerecht wurde. Es beinhaltet zahlreiche unrichtige und falsche Angaben zum Konzentrationslager Auschwitz und Auschwitz-Birkenau, den dortigen Vorgängen und dem sehr sensiblem Arbeitsbereich der Häftlinge des Sonderkommandos. Deren Aufgabe es war die Mordopfer des nationalsozialistischen Regimes den Verwertungsmechanismen der Nazis zu unterziehen und dann überwiegend durch Verbrennung zu beseitigen. Diese Sonderkommando-Angehörigen lebten isoliert in Auschwitz-Birkenau und waren selbst schon mit der Arbeitszuweisung in das Kommando durch die SS dem Todesurteil unterworfen.
Die Ausstellung wurde bereits an zwei Örtlichkeiten über einen Zeitraum von etwa zwei Monaten in Auschwitz, dem polnischem Oswiecim, und einer bedeutenden Kultureinrichtung in Krakau präsentiert worden. Die Bandbreite der Besucher, die unter anderem auch aus Deutschland anreisten, reichte von Schülern bis hin zu Pensionisten, die sich in dieser Wanderausstellung zurecht Fakten und fundierte Informationen erwarten durften, aber offensichtlich nicht erhielten.
Im April dieses Jahres, als wir durch eine vertrauliche Information auf die angebliche grobe Verletzung der Persönlichkeitsrechte eines Angehörigen des Sonderkommando aufmerksam gemacht wurden, folgten auch Recherchen vor Ort und die Filmdokumentation zu und über diese Ausstellung, die ab Herbst durch deutsche Städte touren wird. Unter Beiziehung zweier international tätiger Wissenschaftler nahmen wir die präsentierten Inhalte unter Augenschein. Das Resultat, angesichts des thematischen Inhaltes, ist nicht nur ein Skandal, sondern auch der Umstand, daß die Ausstellungsmacher bereits am Tage der Eröffnung von einem auf diesem Gebiet weltweit führenden Historiker auf die falschen Darstellungen und Angaben hingewiesen wurde und diese dennoch in der Ausstellung beließ.
Die Planung der Ausstellungsverantwortlichen, die Wanderausstellung nach Deutschland auch in anderen Ländern Europas und nach Möglichkeit in den USA zeigen zu können, wäre aus historischer Sicht verantwortungslos und könnte für die Bundesrepublik Deutschland einen Schaden mit sich bringen, dessen Folgen heute noch gar nicht abschätzbar sind. Denn der politischen Tragweite der in der Ausstellung belassenen Fehler, die auch gar nicht am Ort der tragischen Ereignisse hätten gezeigt werden dürfen, der dürften sich die Initiatoren wohl offensichtlich gar nicht bewußt sein.
O-Ton aus der Doku von Dr. Gideon Greif, Historiker Yad Vashem – Israel (mp3 | 27sek)
O-Ton aus der Doku von MA Andreas Kilian, Historiker Deutschland (mp3 | 13 sek)
„Keine klugen Texte“ (DVD ~47min, 19,90 €) ist im Fachhandel erhältlich.
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