Journalismus – Quo vadis?

Kein Fallbeispiel zeigt die Problematik des Arbeitsbereiches des Journalismus so transparent auf wie die aktuellen Ereignisse rund um die Berichterstattung im Zusammenhang mit den Terroranschlägen in Spanien. Plötzlich wird von einem Journalisten berichtet, der angibt, durch spanische Regierungsstellen mehr oder weniger dazu gedrängt worden zu sein, die Urheberschaft der baskischen Separatistenbewegung ETA zuzuschreiben. Stehenden Fußes melden sich nun weitere Angehörige des Berufsstandes und bestätigen diese Vorgangsweise. Jetzt, wo einer das Wort ergriffen hat, folgt offensichtlich das Rudel, um die eigenen Falschmeldungen zu rechtfertigen. Mit den Fingern wird auf die Politiker gezeigt, denen das Volk bereits bei den Wahlen vergangenes Wochenende die Rechnung präsentiert hat und sie abwählte. Da ist es opportun, da kann man den Verlierern auch schon die Übelkeit ihres Handels zum Vorwurf machen. Anstatt daß Sachverhalte überprüft worden wären und das Gesamtbild, das keine Urheberschaft der ETA zuließ, zu betrachten, scheuten sich auch die Agenturen und ausländischen Medien nicht, dies inhaltlich zu übernehmen und entsprechend darzustellen.

Ständig wird über die Qualität des Journalismus gesprochen und in Fachkreisen diskutiert. Mancher ist froh, als Journalist über Quellen und gute Beziehungen zu verfügen, die einem einen Informationsvorsprung bereiten und lebt von diesem kleinen Heimvorteil. Wenn es dann jedoch zu solch einer Situation kommt, in der man von gewissen Stellen mit Nachdruck zu einer gefärbten Berichterstattung gedrängt wird, dann wird die entstandene Kluft zu einem unüberwindbaren Hindernis. Anstatt vom Fleck weg unverzüglich die versuchte Einflußnahme zu publizieren, sucht man vielleicht Möglichkeiten, sich aus der Situation herauszulavieren, doch so könnte eine Informationsquelle zum Versiegen kommen.

Es stellt sich die Frage, ob das nunmehrige Anprangern – wohlgemerkt nach der Wahlniederlage der spanischen Regierung – und dem nicht-verstecken-können von Tatsachen, wie beispielsweise den in Spanien vorgefunden Gegenständen mit arabischen Hintergrund, nichts anderes ist, als ein kläglicher Versuch, die eigene Unfähigkeit zu kaschieren. Statt laut und medial unterstützt die eigenen falschen Artikel zu begründen und zu legitimieren, sollten die betroffenen Autoren, Journalisten und Berichterstatter ihre berufliche und vor allem ethische Einstellung überdenken. Journalismus bedeutet Verpflichtung in moralischer Hinsicht, als auch eine gewisse Sorgfaltspflicht. Es handelt sich hierbei um gesteuerte Meldungen, darüber haben sich viele auch der „eingebetteten“ Journalisten im Irak aufgeregt – zu recht, man hätte jedoch nicht an dieser Inszenierung teilnehmen müssen. Aber was momentan aufbricht, ist das Spiegelbild, das nicht nur Einblicke in die Medienlandschaft ermöglicht, sondern auch die Verstrickungen zwischen Staat und Medien aufzeigt. Mit den Nachkommen des eigentlichen journalistischen Auftrages, den Menschen Informationen recherchiert und gesichert zu vermitteln, hat dies im Grunde nichts mehr zu tun. Degradiert sich doch eine solche Person zum Handlanger unterschiedlicher Interessengruppen.

Spanien ist jetzt zwar aktuell, aber mit Sicherheit kein Einzelfall. Ein sehr bedauerlicher Umstand, und so darf sich die gesamte Berufsgruppe auch nicht darüber wundern, wenn die Glaubwürdigkeit des Standes versickert und die journalistische Sorgfaltspflicht beiseite geräumt wird, um immer höhere Auflagenzahlen zu produzieren.

051803

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